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ELISABETH WINDISCH



DIE ARBEITEN DER KÜNSTLERIN ELISABETH WINDISCH KOMMEN EINEM IMMER IRGENDWIE BEKANNT VOR. AUF DEN ERSTEN BLICK ENTSTAMMEN IHRE OBJEKTE ALLESAMT DEM ALLTAG UND SIND GEBRAUCHSGEGENSTÄNDE. DOCH MAN MUSS SCHON SEINE COMFORT-ZONE VERLASSEN, UM ZU VERSTEHEN, DASS HIER NICHTS DEN ERWARTUNGEN ENTSPRICHT. ELISABETH WINDISCH ERWEITERT DIE DIMENSIONEN, INDEM SIE IHRE MATERIALIEN UND FORMEN UMFUNKTIONIERT UND IN EINEN NEUEN KONTEXT SETZT.

IN IHRER AKTUELLEN AUSSTELLUNG „HIPPOCAMPUS ON WHEELS“ IM KLUCKYLAND IN WIEN, GEHT ES DESHALB VOR ALLEM UM ERINNERUNG.

Immer wenn ich mir in Wien Kunst anschaue, muss ich auch an die Wiener Aktionisten und ihren sehr speziellen Umgang mit Material und Körper denken. Der Materialbegriff wurde von den Aktionisten neu definiert. Da sehe ich auch eine Verbindung zu dir und deshalb möchte dich gerne fragen, inwiefern in deinen Arbeiten Materialität und Realität in Beziehung zueinander stehen.


Mir ist eher wichtig, was Material eigentlich ist oder anders: Jedes Material, das als künstlerischer Werkstoff behandelt wird, hat ja eine gewisse Sprache, bringt bestimmte Bedeutungsebenen mit sich. Die sind verbunden mit Erinnerungen, z.B. aus der Kindheit. Auch mit Gerüchen, die dem Material inhärent sind. Und wenn wir uns die Formen anschauen, die in dieser Ausstellung zu sehen sind, dann sind das alles Anspielungen auf Alltägliches. Ich mag das Triviale. Es ist so direkt.


Es geht also vor allem um das Nachdenken über die Begriffe wie Materialität und Objekthaftigkeit oder auch Dinghaftigkeit, was mir an dieser Stelle als Wort besser gefällt. Was macht die Form zu einem Objekt, dem eine spezielle Bedeutung zukommt? Bei „Hippocampus on Wheels“ werden diese trivialen Objekte durch das Material, das du verwendest, ja auch wieder entmaterialisiert und dadurch sozusagen in einen neuen Zustand gebracht.


Genau, ich habe in den letzten Jahren viel mit Scagliola gearbeitet. Scagliola oder auch Stuckmarmor ist, wenn man durch Wien läuft eine sehr gegenwärtige Technik. Die Stadt hat im 19. Jahrhundert einen Wandel vollzogen und ist aufwändigst umgebaut worden mit einem gewissen feudalen Anspruch. Das sieht man die ganze Ringstraße entlang z.B. am Naturhistorischen und am Kunsthistorischen Museum sehr gut. Alles ist bis ins letzte Detail prunkvoll, auf den Eindruck hin gestaltet. Denn es handelt sich bei Stuckmarmor ja nicht um echten Stein. Was paradox ist, denn für die damalige Zeit wäre es kostengünstiger gewesen, echten Stein zu verwenden. Die Arbeit mit Scagliola ist bis heute sehr aufwendig, zeitintensiv und deshalb auch kostspielig. Neben öffentlichen Gebäuden entstanden auch zahlreiche Prunkbauten Privater, die der bürgerlichen Selbstdarstellung dienten. Menschen, die diese Bauten errichten ließen, waren unheimlich reich, Geld hat keine Rolle gespielt. Es ging darum zu zeigen, was man hat. Wohingegen der Großteil der Bevölkerung ums tägliche Überleben kämpfte.

Und am Ende – das hat konkret auch für meine Arbeit Bedeutung – ist Scagliola sehr vielseitig einsetzbar. Man kann mit viel mehr Farben, viel mehr Mustern spielen. Du kannst also so tun, als sei es Stein und diesem ein Wurstgesicht geben. Oder aus diesem für Aristokratie und Erhabenheit stehenden Material einen Lauch formen. Und das ist genau die Ironie, die ich so gerne mag. Das entspricht meinem Humor.

"IRGENDWIE PASSEND, STAND ABER WÄHREND DES WERKPROZESSES NIE IN MEINEM FOKUS."

Was siehst du zuerst: Farbe oder Form?


Form. Form follows concept! Ich entwickle immer aus der Form bzw. dem Material heraus. Farbigkeit ist in erster Linie Bestandteil des Materials. In meiner Ausstellung im Kluckyland ist das nun anders, da war die Farbgebung ein wichtiger Bestandteil des Werkprozesses, weil man sie selbst bestimmen kann.


Besonders spannend finde ich, dass man ein Objekt von dir sieht und es sofort mit den typischen Eigenschaften eines bestimmten Materials konnotiert, aus dem es aber nicht geschaffen wurde. Wie z. B. deine Abschlussarbeit, die aus Wackelpudding hergestellt wurde. Brichst du also ganz bewusst mit den Erwartungshalten der Betrachter*innen?


Ich würde hier eher davon sprechen, dass ich etwas umdeute oder hinzufüge, oder am Potential kitzle. Durch das Arbeiten mit der Form und der Setzung entstehen neue Kontexte, neue Bedeutungsebenen. Das „Cutting board (fleshcoulour)“ geht durch die räumliche Nähe zu den Siebdrucken, mit der darauf abgebildeten Szene eine Beziehung ein, denn schließlich ist das, was der Pfarrer in seinen Händen hält, ein kleines Ferkel.

Nimmt man dann noch den abgebissenen Apfel im Vordergrund in den Blick, ergibt sich für mich persönlich eine klare Lesrichtung. Ich stelle aber fest, dass die abgebildete Szene von den Betrachter*innen als entweder witzig oder grausam wahrgenommen wird. Ich freue mich immer über Assoziationen, provoziere sie ein wenig, lasse das aber auch gern offen stehen. Z. B. wurden die Siebdrucke in der Kombination mit dem Apfel auch schon religiös konnotiert und damit als Anspielung auf die Ursünde dargestellt. Irgendwie passend, stand aber während des Werkprozesses nie in meinem Fokus.


Insofern ist der zur Ausstellung gehörende Text auch eher als Option zu verstehen, um deine Arbeiten zu verorten?


Der Text hat vordergründig nichts mit meinen Objekten zu tun. Er entspringt bewusst einem anderen Kontext. Es wird knapp eine Alltagsszene skizziert, in der eine Person Schwierigkeiten hat, sich anzupassen. Dabei verändert sich nicht das Umfeld, sondern die Person verliert die Fähigkeit sich darin zu bewegen. Die Geschichte endet mit einem lächelnden Schwein.


Ein „Lächelndes Schwein“ begegnet uns dann auch wieder auf den Siebdrucken. Warum die Entscheidung von einer Abbildung, drei verschiedene Drucke zu präsentieren?


Eine rein formale Entscheidung! Die drei Siebdrucke habe ich ausgewählt, weil da Material und Farbe besonders gut ineinander übergehen. Und wenn man genauer hinschaut, ist der Gesichtsausdruck des Schweins mal schärfer, mal weniger scharf. Ein Spiel mit der Ambivalenz. Mal lächelts, mal schreits.

"EINE GEMEINSAM ERLEBTE SZENE: MEHRERE PERSONEN BESCHREIBEN SIE UND ES SIND VÖLLIG UNTERSCHIEDLICHE GESCHICHTEN."

Kommen wir zu dem Apfel. Eine Arbeit, die voller Gegensätze steckt. Dieser augenscheinlich schöne Apfel, zerfällt innerlich und wirkt unglaublich morbide. Welche Rolle spielt Zeit in deiner Arbeit?


Der Apfel steht auf einem Stahlrohr mit PU-Fuß und spielt dadurch ein bisschen auf das klassische Einsatzfeld von Scagliola an – die Säule. Darauf thront diese fragile, kleine Arbeit, die peut-à-peut von innen verfault.

Zeitlichkeit kann man daran sehr schön beobachten. Am Anfang sind die Äpfel saftig und dann irgendwann werden sie schimmlig und grindig. Aber durch diese Phase muss man durch. Am Ende bleibt die Hülle. Ich mag es, diesen Prozess des organischen Zerfalls zu beobachten.

Auch reizt mich dieses Positiv- / Negativ- Spiel. Es gibt in der Bildhauerei viele Möglichkeiten der Abformung. In diesem Fall wird der reale Apfel – das Positiv in Scagliola gehüllt und angebissen. Durch Zeit schrumpelt das Positiv weg und hinterlässt das (ursprüngliche) Negativ. Die Außenform bleibt übrig – eine Hülle mit Abdruck.


Kommen wir zu dem Titel „Hippocampus on Wheels“. Der Hippocampus ist ja als Teil unseres Gehirns in uns allen und spielt eine zentrale Rolle im Hinblick auf das Gedächtnis und die Erinnerungen.


Der Hippocampus ist zweierlei. Einerseits ist Hippocampus der Fachbegriff für das Seepferdchen und andererseits ein Teil des Gehirns, der seiner Form nach benannt wurde. So eine Form rollt auch in meiner Ausstellung rum.

Ich habe mich in den letzten Jahren mit Hirnverfall beschäftigt. Eigentlich mit zwei Hirnregionen: dem Hippocampus und der Großhirnrinde. Diese beiden Regionen sind unter anderem für Orientierung, Sprache und Erinnerung zuständig. Die Erinnerung ist eine spannende Sache. Sie macht Realität(en). Eine gemeinsam erlebte Szene: mehrere Personen beschreiben sie und es sind völlig unterschiedliche Geschichten. Was aber, wenn sich eine Person gar nicht mehr erinnert? Was macht das mit der Geschichte der Übrigen?


Welche Geschichte erzählt der Siebdruck, der zu „Under the Palm Tree“ gehört? Man kann gar nicht richtig erkennen, was neben der Figur geschrieben steht.


Es ist eine Nachricht meines Vaters, die er mir mal als Notiz hinterlassen hat: „Wunsche einen furchtlosen Tag“. Allerdings fehlt das „ich“ und die Pünktchen über dem U. Der ganze Satz wirkt eher fragmentarisch. Mit dem Lauch zusammen erweckt es für mich den Eindruck eines idyllischen Postkartenmotivs, deshalb „Under the Palm Tree“.


Eine wundervolle Nachricht auch! Wann hattest du zuletzt einen furchtlosen Tag?


Ich nehme es mir jeden Tag aufs Neue vor.


Wie ist es zu deuten, dass viele deiner Arbeit in Verbindung mit Nahrung stehen? Bei „Hippocampus on Wheels“ sehen wir den Apfel, Schneidebretter, die Fotografie mit dem Schwein, einen Lauch an der Wand und eine XXL Bananenschale. Auch in der Vergangenheit hast du mal mit Wackelpudding, Zucker und auch Salz gearbeitet.


Im Grunde bemerke ich, dass ich diesen Zusammenhang mit Nahrung, Essen, Küche etc. vermeiden will. Irgendetwas daran ist mir sogar unangenehm.

"SALZ IST EIN CHEMISCHER STOFF (NACL), SALZ IST LEITER VON SCHALLGESCHWINDIGKEIT UND STROM IN WASSER, SALZ WAR FRÜHER EIN ZAHLUNGSMITTEL."

Was ist dir unangenehm?


Ich will nicht in die Kochkunstecke. Ja es stimmt, dass ich viele Materialien verwende, die man aus dem Nahrungsmittelbereich kennt. Ich würde eher sagen, die man aus dem Alltag kennt. Salz z.B. sehe ich nicht als Nahrungsmittel sondern primär als künstlerischen Ausgangspunkt. Salz ist ein chemischer Stoff (NaCl), Salz ist Leiter von Schallgeschwindigkeit und Strom in Wasser, Salz war früher ein Zahlungsmittel. Salarium, Salär – der Lohn usw.


Im Grunde beziehst du auch das Thema der Kunstbetrachtung in deine Arbeit mit ein. Das wird vor allem daran sichtbar, wie sich die einzelnen Arbeiten miteinander im Raum verhalten. Kunstbetrachtung ist der Austausch von Blicken, Selbstidentifikation durch das Anblicken von etwas, das ja nicht real zurückschaut und trotzdem mit mir spricht. Durch die Erinnerung, die Wahrnehmung hindurch. Könnte man sagen, dass durch den Raum, den du mit deinen Arbeiten kreierst und in dem Zeitlichkeit eine große Rolle spielt, eben ein neuer Zeitraum entsteht?


Künstler*innen kreieren Welten, Settings, Geschichten. Wo diese angesiedelt sind, ist so variabel, wie es Werke gibt.Ich arbeite im und mit dem hier und jetzt. Ich mache mir keine Gedanken über Zeitachsen. Im besten Fall nimmt man jemanden mit auf eine Reise. Wo die Person dann wieder rauskommt, bleibt ihr überlassen.
Elisabeth Windisch ist 1986 in Pforzheim geboren und hat als Meisterschülerin von Prof. Richard Deacon an der Kunstakademie Düsseldorf 2014 ihren Abschluss gemacht. Seit vier Jahren lebt und arbeitet sie in Wien.


„Hippocampus on Wheels“ im Kluckyland Wien, ist noch bis zum 03.10.2020 zu sehen.
Kluckyland, Othmargasse 34, 1200 Wien


Hippocampus on Wheels


Sie hob die Tasse zum Mund um kurz darauf die Lippen zu einem schmalen Schlitz zu verziehen. Ein eindeutiges Zeichen von Ekel. Irgendetwas stimmte nicht.

Auf ihr anraten hin, nahm er einen Schluck Tee und beobachtete mit Interesse wie die kleinen schwimmenden Bläschen zu einem Fettauge fusionierten. Den Herd zu bedienen hatte er aufgegeben. Das glatte Ceranfeld war edel, nur der Sensor für seine grob motorischen Finger nicht geeignet.

Dafür hatte er den Wasserkocher für sich entdeckt.

Den musste er nun befüllen, seine Würstchen darin verschwinden lassen und einen Knopf drücken. Natürlich galt es die Würstchen nicht im Wasser zu vergessen.

Letzteres bereitete ihm zusehends Probleme. Weshalb es im gemeinsamen Haushalt bald zwei Wasserkocher gab. Einen für Tee und einen mit einem lächelnden Schwein.
Fotos @ Markus Sandner

www.elisabethwindisch.com